Wißt ihr,
ich kam in unglaubliche Länder,
wo Pantheraugen aus den Blumen glühn,
Regenbogen auf Menschenleibern wie Bänder,
und unter den Wogen meergrüne Herden ziehen.
Rimbaud – Das trunkene Schiff
Mit diesem hervorragend passenden Zitat von Rimbaud beginnt Rittlinger seine abenteuerliche Reiseerzählung „Ganz allein zum Amazonas“.
Mit dem Faltboot von den Anden zum Atlantik – 1936
1936 ist Rittlinger der erste Mensch, der es unternimmt, diesen Strom im Alleingang von seinen Quellen hoch oben in den peruanischen Kordilleren bis hinunter zur Mündung in den Atlantik zu befahren.
Von Lima aus überquert er die Anden. Die Flussreise beginnt in 4100 m Höhe. Die ersten 1600 km legt er in einem Faltboot zurück.
Auf unbefahrenen Gebirgsflüssen und durch von keinem Menschen je gesehene Stromschnellen soll es hinab gehen, in das Tiefland des Amazonas, bis zur Mündung. Tagelang ist er alleine, schlägt sein Zelt irgendwo am Rand des Flusses auf.
Am Rio Maranon, einem Quellfluß des Amazonas,wagt er den Einstieg. Die erste Etappe der Reise, auf dem von mehreren hundert Meter hohen Steilwänden gesäumten Gebirgsfluss, endet bereits nach einer halben Stunde.
Das schwer beladene Boot lässt sich im Wildwasser kaum lenken und so sieht sich Rittlinger genötigt einen Großteil der Ausrüstung und Verpflegung zurück zu lassen.
Dass dazu auch seine Reiselektüre, Nietzsche’s Götzendämmerung, gehört, bedauert er sehr. Dafür amüsiert ihn der Gedanke an die Archäologen, die eines Tages in weiter Zukunft im Jahr 2000 😉 , die von ihm in einer Felsennische zurückgelassenen Dinge finden werden.
Unerforschte Wildwasser sind nichts für schwache Nerven
Mehrere Tage geht es jetzt flussabwärts, nie wissend was hinter der nächsten Flussbiegung warten mag. Ein nervenaufreibendes Unterfangen.
So kommt dann auch der Moment, an dem sich Rittlinger gerade noch ans Ufer retten kann, als vor ihm, wie aus dem Nichts, ein tosender Wasserfall auftaucht.
Allerdings ist das an dieser Stelle nicht so einfach. An einen Aufstieg zur Sierra ist nicht zu denken, die Felswände rundherum sind senkrecht und glatt, nirgends ein Halt oder Ausstieg möglich. Einen ganzen Tag lang benötigt Rittlinger dafür, um einen Kilometer rückwärts gegen den reißenden Strom zu paddeln, wo er dann auf einem schmalen Uferstreifen an Land gehen kann.
Unfreundliche Zeitgenossen
Als er am nächsten Tag nach einem steilen Aufstieg die Sierra erreicht, wird er unvermittelt von einer Gruppe Indios angegriffen, die versuchen ihn über den Rand der Schlucht in die Tiefe zu stoßen.
Nachdem er einen Angreifer mit dem Kolben des Gewehres — ja, damals ging der einfache Tourist noch bewaffnet auf Reisen — niedergeschlagen und einen Schuss in die Luft abgegeben hat, suchen die Räuber das Weite.
Weiter per Floss, Kanu und Dampfschiff
Es gelingt ihm trotzdem Helfer und Maultiere aufzutreiben, um die Ausrüstung innerhalb von 2 Tagen vom Flußbett aus nach oben zu tragen. Nach mehreren Tagen Fußmarsch über die Sierra erreicht er den Rio Huallaga.
Dieser zweite Quellfluss des Amazonas liegt etwa 2000 Meter tiefer, was die Anstrengungen vermindert. Tage später steigt er als Passagier auf ein Balsafloss und weiter geht es über riesige Strudel, die das Floss teilweise stundenlang drehend in ihrer Gewalt halten.
In Iquitos schließlich tauscht er das Boot gegen einen Flussdampfer und setzt die nicht minder abenteuerliche Fahrt durch das Amazonasbecken fort.
Vorbild für Aguirre ?
Zahlreiche Expeditionen hatten den Amazonas bereits zum Ziel. Schon die Spanier versuchten hier im 16. Jhd. das sagenhafte El Dorado zu finden. Und so manche Unternehmung war zum Scheitern verurteilt. Eine filmische Nachempfindung dieser frühen Reisen hat Werner Herzog mit „Aguirre, der Zorn Gottes“ geschaffen.
Er erzählt die Flussfahrt einer Gruppe von Spaniern, die nach und nach an den widrigen Begleitumständen des Geschehens zu Grunde gehen.
Und je mehr ich von Rittlingers Buch gelesen habe, desto häufiger kamen mir Szenen bekannt vor. Dass Werner Herzog genau dieses Buch gelesen haben muss, um die Inspiration für seinen Film daraus zu schöpfen ist möglich, man weiß es nicht. Die Beschreibung der Landschaften und Schwierigkeiten bei der Flussreise ähneln sich frappierend.
Herzog mag Affen
Kleine Anekdote am Rande: In der Schlussszene, während Kinski=Aguirre, das tut was er immer am besten konnte und tobend und schreiend auf dem Floss herumtanzt, sieht man eine große Anzahl panisch auf dem Floss hin und her springender Affen.
Herzog hatte sich diese durch einen Trick beschafft. Auf einem Flughafen in der Nähe der Dreharbeiten entdeckte er die 400 frisch gefangenen Affen, die für den Export in die USA, als Lieferung an nordamerikanische „Tierfreunde“ sozusagen, bestimmt waren.
Kurzerhand gab er sich als Tierarzt aus. Er ließ sich die Tiere unter dem Vorwand, sie vor dem Abflug impfen zu müssen, auf einen Wagen laden. Nach den Filmaufnahmen entließ er die Affen dann einfach in die Freiheit des Waldes.
Und dann noch der Herr Rimbaud
Tja, und jetzt schließt sich der Kreis, denn beim Recherchieren bin ich auf eine CD von Kinski gestoßen. Kinski spricht Rimbaud. Cool, nicht wahr ? Noch was zu Rimbaud gefällig? Der französische Dichter Arthur Rimbaud begann seine Dichterkarriere mit 16 und beendete sie schon wieder mit 21. Einen großen Teil seines Lebens verbrachte er als Waffenhändler in Äthiopien, das damals noch Abessinien hieß. Angeblich wohnte er dort in einem Bordell. Mit 37, an Krebs erkrankt, segnete er dann das Zeitliche.
So, das war dann ja schon das zweite Buch von Rittlinger, das ich besprochen habe. Das erste hieß „Ins Land der Lacandonen“ <– und kann da nachgeschaut werden. Dort gibt’s dann auch ein oder zwei Sätze mehr zu Rittlingers Biographie.
Das Buch enthält 61 Abbildungen und 2 Kartenskizzen und kann bei Amazon, wenn auch nur gebraucht, hier bezogen werden:
Ganz allein zum Amazonas – Herbert Rittlinger <– für Amazon hier klicken
Das Buch ist übrigens in mehreren Ausgaben mit einer Auflage von mehr als 300.000 Stück erschienen.