Das „Globetrotter-Handbuch“ von Christina Dodwell, das im Original 1984 erschien, ist ein kleines Juwel und einzigartig unter den vielen Reisebüchern. Der Untertitel „Überlebenstips für Abenteurer“ ließ mich zunächst vermuten, dass es sich hier um einen Ratgeber mit Survival-Rezepten im Stil von Rüdiger Nehberg aufgelistet wären.
Weit gefehlt!
Rezepte gibt es zwar in der Tat. Diese sind jedoch eher von der kulinarischen, wenn auch exotischen Art, was man von einem Menschen, der häufig auch bei Kannibalen zu Gast war, durchaus erwarten kann.
Christina Dodwell wurde 1951 in Nigeria geboren. Ihre Schulzeit verbrachte sie in England und arbeitete dort zunächst als Innenarchitektin.
Wie man Globetrotter, Abenteurer und Entdecker werden kann
Ihre Abenteuerlust entdeckte sie im Alter von 24 Jahren eher unfreiwillig, während eines Ferientrips in Afrika, den sie mit einer Freundin und zwei sie begleitenden Männern durchführte.
Die beiden Männer verschwanden mit dem Jeep und ließen die Frauen hilflos in der Wildnis zurück. Doch der Überlebenswille siegte.
Nach einem längeren Fußmarsch fingen sie sich kurzerhand zwei wilde Pferde und konnten so eine Woche später in die Zivilisation zurückkehren. Im Vorwort des Buches beschreibt Christina Dodwell diese Begebenheit kurz:
„…Nach wenigen Tagen ritten wir völlig teilnahmslos dahin und starrten in den heißen Sand unter uns. Gefährlicher war noch, dass wir nichts zu trinken hatten, und wir wussten auch nicht, wie man Wasser findet. Damals beschloss ich zu lernen, wie man von dem lebt, was die Natur einem bietet.“
Christina Dodwell beschloss daraufhin, sich den afrikanischen Kontinent etwas genauer anzusehen. Sie kehrte nicht nach England zurück, sondern bereiste Afrika während der folgenden drei Jahre.
Ein Höhepunkt dieser Reisen war zweifellos die siebenwöchige Kanufahrt auf dem Kongo, die sie mit einer Freundin unternahm.
Als 21. Mensch erhielt sie 1987 die Mungo Park Medaille von der Royal Scottish Geographical Society verliehen
Weitere Reisen führten Sie nach Sibirien, China, Tibet und nach Neu-Guinea. Eine weitere bemerkenswerte Leistung ist ihr Flug in einem Leichtflugzeug über West-Afrika, bei dem sie eine Distanz von 7000 km zurücklegte.
Die Krokodilfrau
Während einer dreimonatigen Reise auf dem Sepikfluss in Neu-Guinea, begleitete sie die Jäger des Sepikstammes, die vom Krokodilfang leben, auf die Jagd und wurde ebenfalls bei einem Ritus initiiert. Sie beschreibt diese Episode in wenigen Worten im „Globetrotter-Handbuch“:
„Das Krokodil taucht überall in den Mythen und Ritualen der Sepikbevölkerung auf….wurde ich Zeuge eines solchen Krokodilrituals: Es dauerte eine Woche lang und fand seinen Höhepunkt in einer Handlung, bei der den jungen Männern auf Rücken und Brust auffallende Muster in die Haut geritzt wurden, die Krokodilschuppen darstellen sollten. Ganz zum Schluss schnitten sie auch mir eine Schuppenkerbe in den Arm. Damit ließen sie mir die höchste Ehre zuteil werden, und ich trage die Narbe mit Stolz.“
Kamele und Elefanten als Gepäckträger
Christina Dodwell weiß, wovon sie spricht und dementsprechend hilfreich sind ihre Tipps, die sie zum Teil sehr humorvoll vermittelt.
So führt sie im „Globetrotter-Handbuch“ zum Beispiel alle möglichen Tragetiere, einschließlich ihrer Belastungsgrenzen und ihrer Reisegeschwindigkeit auf:
Maultiere, Pferde, Yaks, Kamele, Esel, Ponies, Hunde, Schafe und natürlich Elefanten.
Das langsamste der Tiere ist mit 2,5 km/h das Yak. Geignet für eher gemütlicher Wanderer. Schafe, die zwar nur etwa 11 kg zu tragen vermögen, dafür aber als Herde wandern, sind besonders in Gegenden mit spärlicher Vegetation geeignet.
Über Elefanten schreibt sie:
„Mit einem Elefanten zu reisen ist unendlich langwierig, vor allem, wenn Sie sich durch den Urwald schlagen. Mein Elefant war nur dann schnell, wenn er felsige Berghänge hinabstolperte.“
Weitere Kapitel des „Globetrotter-Handbuchs“ beschreiben technische Fortbewegungsmittel, wie Flösse oder Kanus. Außerdem gibt Christina Dodwell auch Ratschläge, welche Gegenstände, man denn nun unbedingt als Reiseausrüstung mit in sein Gepäck aufnehmen sollte.
Das Globetrotter-Handbuch – kulinarische Verpflegungstipps in der Wildnis
Ein sehr großer Teil des Buches, wenn nicht der größte, ist der Ernährung des Globetrotters gewidmet. Dabei geht es in keiner Weise um langweilige Restaurant-Ratschläge, sondern darum, wie sich der Reisende in einer von der Zivilisation verschonten, ursprünglichen Umgebung den Magen füllen kann.
Dabei verzichtet Christina Dodwell allerdings auf die kulinarischen Leckerbissen, die uns aus Nehberg‘s Büchern schon bekannt sind: Maden und Ameiseneier stehen bei Frau Dodwell nicht auf der Speisekarte.
Dafür gibt es ein eigenes Kapitel mit dem Namen „Schlachten und Zubereiten von Großwild“. Der Größe des Großwildes sind kaum Grenzen gesetzt. Zum Elefant erwähnt sie:
„Wird ein so großes Wild getötet, bietet dies für alle umliegenden Dörfer eine besondere Gelegenheit für ein üppiges Festmahl. Von Europäern wird der Rüssel als Delikatesse geschätzt. Man behandelt ihn wie Zunge, kocht und häutet ihn nach Erkalten. Dann schneidet man ihn in dünne Scheiben und isst ihn warm oder kalt.“
Ob es sich bei dem Elefanten, der hier verspeist wird, um das Tragtier aus dem vorhergehenden Kapitel handelt, verschweigt uns die Autorin.
Zum Thema Straußeneier schreibt sie:
„Straußeneier sind sehr nahrhaft und sahnig. Ein Straußenei entspricht der Menge von 24 Hühnereiern, das sind beinahe 2 Liter Ei. Es schmeckt gut als Rührei…
… Aber hütet euch vor den Straußen! Die Männchen sind aggressiv und greifen leicht an. Sie schlagen dabei mit dem Fuß aus, der mit einer Kampfklaue ausgerüstet ist, mit der sie einem den Bauch aufschlitzen können. Falls ihr nicht entkommen könnt, legt euch flach auf den Boden.“
Auch gut zu wissen:
„Krokodile, die über zwei Meter groß sind haben einen penetranten und muffigen Geschmack.“
Und über die Jagdmethode der Sepik:
„Ihre Jagdmethode bei Tageslicht empfiehlt sich nicht für Anfänger: Sie waten brusttief im See herum und versuchen die Krokodile mit den Füßen aufzuspüren.“
Für Veganer mag das „Globetrotter-Handbuch“ also etwas erschreckend sein. Wenn man heute an die vielen Mühen denkt, die es macht die letzten großen Wildreservate in Afrika zu schützen, dann sollte man nicht vergessen, dass die Reiseerfahrung in dem Buch aus den 70er Jahren stammt. Afrika war vor 40 Jahren noch etwas ursprünglicher als heute und es gab noch mehr Regionen mit großen Tierbeständen.
Es gibt natürlich auch ein Kapitel über Pflanzen, die man essen kann, sofern man sie erkennt…
Dafür gibt es dann zum Schluss ein Kapitel in dem allerlei Krankheiten, die den globalen Wandersmann in der Wildnis treffen können, nebst ihrer Behandlungsmethoden, beschrieben werden. Sofern eine Behandlungsmethode existiert…
1995 gründete Christina Dodwell, nachdem sie lange Jahre in Madagaskar gelebt und gearbeitet hatte, die Hilfsorganisation Dodwell Trust, eine Hilfsorganisation zur Entwicklung Madagaskars.
Sie hat (bisher) 9 Bücher veröffentlicht.
Es hat mir großen Spaß gemacht dieses Buch zu lesen. Christina Dodwell hat in diesem Buch viele der Erfahrungen, die sie im Laufe ihrer Reisen machen durfte, verarbeitet.
Und da die natürliche Wildnis des Planeten immer mehr zusammen schmilzt, um der menschlichen Kultur Platz zu machen, ist dieses Buch neben dem Erfahrungsbericht, gleichzeitig ein schönes Dokument seiner Zeit.
Das Buch „Globetrotter-Handbuch“ ist nur noch antiquarisch erhältlich. Die deutsche Übersetzung stammt von Gabriele Herzog und erschien 1985 im Franz Schneider Verlag, München. Es enthält zahlreiche Schwarz-Weiß-Fotografien, leider auf gewöhnliches Taschenbuchpapier gedruckt und ein Register.
Es werden nur wenige Exemplare dieses Buches angeboten. Bei Amazon kann man mit etwas Glück hier fündig werden:
Globetrotter – Handbuch (5751 608). Überlebenstips für Abenteurer.