Reise durch einen einsamen Kontinent – Unterwegs in Kolumbien, Ecuador, Peru, Bolivien und Chile – Andreas Altmann
Eigentlich wollte ich mir heute schon Andreas Altmanns neuestes Buch über Palästina mit dem Titel „Verlorenes Land“ vornehmen.
Aber wie es der Zufall so will, bekam ich dann neulich die „Reise durch einen einsamen Kontinent“ in die Hände.
Ein Buch, das ich schon länger auf meinem Radar hatte. Und schon wie bei der Gebrauchsanweisung für die Welt, bin ich froh es gelesen zu haben.
Sondern, weil diese offene, manchmal schonungslose und doch liebevolle Beschreibung, der von Andreas Altmann auf seiner Reise besuchten Länder Südamerikas, zahllose Erinnerungen in mir weckt. Ja genau so ist es, habe ich mehrmals gedacht, während ich das Buch in den vergangenen Tagen gelesen habe.
Was treibt Andreas Altmann, sich in ein Flugzeug zu setzen und nach Südamerika zu fliegen, um dann wochenlang von Stadt zu Stadt zu fahren? Städte, deren Namen den meisten Menschen nur Gänsehaut auf den Rücken und Angstschweiß auf die Stirn treiben?
Bogotá, Medellin oder Cali zum Beispiel?
Städte in denen alle paar Minuten ein Mensch umgebracht wird. Fest in der Hand eines korrupten Polizeiapparates und miteinander rivalisierender Drogenkartelle.
Auf einer der ersten Seiten des Buches zitiert er einen Reisenden, der ihm begegnet und erklärt damit vielleicht auch seine Haltung gegenüber den Gefahren dieser Reise:
Wir sterben nicht an den Gefahren, wir sterben an unserer Angst vor diesen Gefahren.
Gründe für Angst gibt es häufiger auf dieser Fahrt. Mord und Entführung sind an der Tagesordnung, in Kolumbien und auch in den anderen Ländern, ist es besser immer auf der Hut zu sein.
Ein weiteres Zitat vielleicht, vermag ein Stück weit seine Motivation zu erklären.
Mir fällt ein befreundeter Reporter ein, der darauf bestand, jede Tür aufzumachen, hinter der er eine Story vermutete, die ihn bereichern könnte. „Denk nicht, geh rein“
Andreas Altmann „geht rein“, durch jede Tür, die sich öffnet und sucht die Begegnung mit den Menschen, die in dieser menschenfeindlichen Umgebung zu überleben versuchen.
Nicht die Sehenswürdigkeiten oder Naturwunder dieser an Sehenswürdigkeiten und Naturwundern so reichen Länder treiben ihn vorwärts.
Es sind die Schuhputzer an der Promenade, die Taxifahrer, die Nutten in den dunklen Gassen, die Bettler im Rinnstein, die Invaliden und Kranken, die Andreas Altmann in ihren Bann ziehen und die mit ihren kleinen, aber oft genug dramatischen Lebensgeschichten, dem Leser das Gefühl geben mitten drin zu stehen, in einem Leben, das für uns, in der Geborgenheit des scheinbaren Reichtums lebenden, so unendlich fremdartig erscheint. Andreas Altmanns Reisebericht gibt denen eine Stimme, die sonst niemand hört.
Fahrt nach Lima. Der Bus hält an einer Kreuzung, wo Kinder Breakdance vorführen, Feuer schlucken oder mit Flickflacks den Zebrastreifen überqueren. Um hinterher ein paar Soles von den Autofahrern zu kassieren. Ein solcher Lebensmut, ein solcher Widerstand gegen ihre aussichtslose Welt, mit offenem Mund fährt man an ihnen vorbei…
In kurzen Episoden dokumentiert das Buch „Reise durch einen einsamen Kontinent“ das Leben der einfachen Menschen in den südamerikanischen Städten und ihren täglichen Überlebenskampf. Wie von einem Blitzlicht kurz erleuchtet, sind die Szenen die Andreas Altmann beschreibt.
Und so entstehen Bilder von Menschen, die bereit sind sich Andreas Altmann zu öffnen. Er notiert ihre Geschichten, ihre Gedanken und Gefühle, genauso wie ihre Hoffnungen und Ängste. Ängste, die erstaunlich genug, oft gar nicht existieren, obwohl sich die betreffenden Menschen gerade nur wenige Schritte vom Abgrund des Lebens entfernt befinden.
Ich möchte diesen Reisebericht als Dokumentation einer Studienreise betrachten, denn es ist das Leben selbst, das hier studiert wird.
Die „Reise durch einen einsamen Kontinent“ ist ein Buch, das ich jedem Menschen ans Herzen legen möchte. Man erhält ein Bild dieser Länder und seiner Bewohner, wie es einem kein Touristenführer bieten kann. Die Lektüre ist auf jeden Fall ein Gewinn.