Schiffbruch mit Tiger
Oh, das war ein schmerzlicher Moment in meiner Bloggerkarriere, als mir kürzlich von erlesener Seite vorgeworfen wurde, ich würde Romane hassen, bloß weil sich in meinem Blog keine Besprechung von Belletristik finden würde. Dabei liebe ich Romane! Ehrlich! Hm, nur welche eigentlich?
Gestern jetzt, hatte ich dann zufällig die Gelegenheit 30 Minuten lang am Bahnhof in Frankfurt herumzuhängen, als mein Auge auf die Bahnhofsbuchhandlung fiel. Die Gelegenheit! Ein Roman muss her, um ihn dann hier im Blog zu besprechen!
Ich betrat die Buchhandlung und war zunächst sprach- und ratlos – uiuiuiuiuiui ! Romane soweit das Auge reicht – an den Wänden entlang, mitten im Raum, als Raumteiler, aufgestapelt, drapiert und arrangiert, haufenweise Stolperfallen und selbst die Säulen, die ich zuerst für Bestandteile der Architektur gehalten hatte, entpuppten sich als sorgfältig kreisförmig geschichtete Ausgaben von
Shades of Grey – Befreite Lust
oder
Shades of Grey – Geheimes Verlangen
oder
Shades of Grey – Gefährliche Liebe
Deutschland im Pornofieber ?
Dazwischen aufgeregte Menschenmassen im Weihnachtseinkaufsrausch – jeder zweite mit besagtem Buch in der Hand. Aber die Shades of Grey – Trilogie wollte ich in meinem Blog auf gar keinen Fall besprechen. So viel war klar.
Wie aber jetzt aus dieser Menge ein besprechungswürdiges Werk heraussuchen? Ich ging noch einmal hinaus in die Bahnhofshalle, schloss meine Augen und stürmte zurück in die Buchhandlung. Das erste Buch, das mir in die Hand käme, das sollte es sein. Nein, das weiche, was ich zuerst in den Griff bekam, war eine entsetzt blickende jüngere Dame mit der „befreiten Lust“ in der Hand. Schnell die Augen zugekniffen und weiter vorwärts gestolpert.. Da ! Ein Buch – ich öffne die Augen:
Yann Martel – Schiffbruch mit Tiger – Life of Pi
Prima, das war mir doch schon verschiedentlich als Superduperschmöker empfohlen worden, was für ein Glück ich auch wieder hatte! Ich zahlte und schaffte es gerade noch zum Zug, um sofort mit der Lektüre zu beginnen.
Auf der vorderen Einbandseite von „Schiffbruch mit Tiger“ schaut einen natürlich ein Tiger an – mit hypnotischem Blick versteht sich – darunter ein fetter roter Spiegel-Bestseller-Aufkleber. Das kann ja mal nicht schlecht sein – teilt man sich doch auf diese Art die Ränge mit anderen hervorragenden Werken der Gegenwartsliteratur – wie der bereits oben erwähnten „Shades of Grey“-Trilogie. Die Spiegelfuzzies haben echt Geschmack.
Und dann die Rückseite: „Alle, die glaubten, die Kunst des Erzählens sei tot: lasst sie voll Erstaunen und Freude Yann Martel lesen“ (Alberto Manguel). — Juchhuuu!
Ja, wenn das nichts ist! Aber wer ist Alberto Manguel ? Keine Ahnung….
Nicht genug damit – zusätzlich wurde auf dem hinteren Einband vermerkt:
„…Eine Geschichte, die sie an Gott glauben lässt. Nun endlich verfilmt …in 3D“ – Aha !
Meine Freude war groß, da hatte ich mir ja ein wahres Meisterwerk aus dem Regal gezogen. Ich lehnte mich also in meinem ICE-Sitz zurück und begann zu lesen:
Ein Buch mit Geschmack
„Schiffbruch mit Tiger“ beginnt damit, dass der Schriftsteller seitenweise sein Schicksal bejammert – oh, die böse Leserschaft wollte sein erstes Buch nicht kaufen, auch nicht lesen, die dummen Kritiker haben es nicht gemocht und ihn auch nicht. Traurig, traurig!
Nahtlos geht es dann über zu einer dreiseitigen Beschreibung der Lebensweise des Dreifingerfaultiers, wie es schläft, frisst, atmet, furzt, vom Baum runterfällt und warum es wohl nicht gefressen wird – ohne allerdings die letzte Frage wahrheitsgemäß zu beantworten. Die richtige Antwort nämlich wäre gewesen: das liegt am penetranten Gestank und dem ranzigen Geschmack. Eine Metapher auf den Schriftsteller vielleicht ? Selbstironie womöglich ?
Danach kommt über viele, viele Seiten eine wirklich nützliche und unterhaltsame Auflistung der Schwimmbäder des Großraumes Paris zur Jahrhundertwende (1900) und ihrer hygienischen Verhältnisse. Warum wohl heißt Schwimmbad auf Französisch Piscine ? Antwort: Kommt aus dem deutschen von: „Piss rin“. Das ist soooo lustig und voll interessant…
Bei der Schilderung der Qualen dann, die ein Kind ertragen muss, wenn es mit Vornamen „Piscine“ heißt, wurden mir die Augen schwer und als ich an der Stelle war, an der der Protagonist der Geschichte seinen Namen von „Piscine“ in „Pi“ änderte (echt luschtig, gell?) beschloss ich auf der Stelle Sigmundo’s Methode des „Rapid Reading“ anzuwenden, es dieses mal aber mit stark erhöhter Geschwindigkeit zu versuchen!
Ein historischer Moment – Die Entdeckung der Transcendental Reading (TM) – Methode
Wenige Sekunden später erreichte ich einen neuen, bisher nicht gekannten Zustand – lesen in Trance sozusagen. Bei Groß-Gerau waren mir die Augen endgültig zugefallen und als ich bei der Ankunft des Zuges in Karlsruhe wieder aus meinem Schlummer erwachte, bemerkte ich zu meiner Überraschung, dass ich mit dem Buch schon fertig war – und….. !!
Ich hatte eine neue Lesemethode entdeckt!!!
Ich beschloss die Methode „Transcendental Reading (TM)“ zu nennen. Ähnlich wie beim „Rapid Reading“, weiß man hinterher nichts vom Inhalt, aber man erfasst quasi die Essenz des Buches, also seine Farbe, den Geruch und Geschmack – auch Töne kann man hören – und so kann ich nichts weiter zum Inhalt sagen, weiß aber genau, „Schiffbruch mit Tiger“ riecht ein wenig nach einem Männerpissoir, seine Farbe ist hellgelb und auf der Zunge hinterlässt es den unvergesslichen Geschmack von Salmiak und Ammoniak. Die im Hintergrund leise mitschwingenden Klänge eines indischen Sitars runden das Bild ab.
Informationen zu der Methode des „Transcendental Reading (TM)“ können bei mir angefordert werden, es gibt natürlich auch Kurse im Angebot. Für Interessierte besteht darüber hinaus die Möglichkeit der Ausbildung zum „Transcendental Reading (TM) Trainer“ und „Transcendental Reading (TM) Master“. Bei letzterem gibt es 3 Grade, die allerdings nur bei besonderer Eignung erreicht werden können.
Jetzt bleibt eigentlich nur noch eines zu sagen:
Wir erwarten sehnsüchtig die 3D-Verfilmung von „Shades of Grey“
…und mein Business-Berater dürfte zufrieden sein, weil ich auf einen Schlag so viele hochkarätige Werke der Weltliteratur besprochen habe!
Du willst diese Erfahrung selber machen? Dann lege Dir zunächst einmal das Buch „Schiffbruch mit Tiger zu. Das ist ja wohl die Mindestvoraussetzung. Hier noch einmal der der Link um „Schiffbruch mit Tiger“ zu erstehen:
Yann Martel – Schiffbruch mit Tiger – Life of Pi
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Weiterführende Informationen und eine genaue Anleitung zum Thema TranscendentalReading gibt es hier –> https://dasbestebuchderwelt.de/2012/12/21/transcendental-reading-tm/