Reisen in Zentralamerika und Yucatan – John L. Stephens – 1841
„Während des ganzen Wortwechsels hatte die Bande feiger Straßenräuber dabeigestanden. Schwerter und Buschmesser griffbereit, und zwei verbrecherisch aussehende Kerle saßen auf einer der Bänke, die Musketen gegen die Schulter und die Mündung in einem Meter Entfernung auf meine Brust gerichtet…“
John L. Stephens, ein 1805 in der Nähe von New York geborener US-Amerikaner, von Beruf Anwalt, hatte bereits Ägypten und den vorderen Orient bereist. Bei einer Besichtigung der Felsenstadt Petra im heutigen Jordanien, traf er den Entschluss sich stärker der Archäologie zu widmen.
Diplomat der USA
1839 erhielt er von dem amerikanischen Präsidenten Vanburen den diplomatischen Auftrag nach Zentralamerika zu reisen und in der Hauptstadt dieses Staatengebildes Kontakt mit der Regierung aufzunehmen. 1825 hatten sich die ursprünglich mexikanischen Provinzen Guatemala, Honduras, El Salvador, Costa Rica und Nicaragua von Mexiko losgesagt und die Republik der Vereinigten Provinzen Zentralamerikas gegründet. Diese Zentralamerikanische Föderation bestand bis 1838.
Danach begann ein mehrjähriger, kaum zu überschauender Bürgerkrieg, mit mehreren Armeen und Parteien, die sich vor allem durch Unberechenbarkeit und Grausamkeit auszeichneten. Mit ein wenig Besorgnis berichtet Stephens davon, dass 7 seiner Vorgänger innerhalb kürzester Zeit am Fieber verstorben seien. Teilweise kurz nachdem sie die Grenzen des Landes überschritten hatten.
In genau diese Zeit des Verfalls fiel die diplomatische Mission Stephens. Stephens der Hobbyarchäologe, der er war, aber nutzte die Reisezeit vor allem dafür, die an seinem Reisewege liegenden archäologisch interessanten Ruinenstädte zu besichtigen. Manche davon entdeckte er wieder aufs Neue, indem er den Aufzeichnungen anderer Reisender folgte, von anderen allerdings war er der erste westliche Berichterstatter.
Zeichnungen statt Fotografien
Unterstützt wurde Stephens von Frederick Catherwood, einem britischen Architekten und Grafiker, der auf dieser Reise zahlreiche Zeichnungen anfertigte, die er später als Stiche veröffentlichen ließ, und die vor allem in ihrer aquarellierten Form für Aufsehen sorgten.
Die Altertümer Ägyptens und Griechenlands waren der gebildeten Schicht Nordamerikas wohlbekannt, über die untergegangen prä-kolumbianischen Kulturen, quasi vor der eigenen Haustüre aber, wusste man so gut wie nichts.
Der nie gebaute Nicaraguakanal
Ihr Weg führte die beiden Abenteurer zu Lande und zu Wasser durch alle Provinzen der Föderation. In Nicaragua untersuchte Stephens sehr genau die Möglichkeit eines Kanalbaues von der Karibik zum Pazifik. Ein Unternehmen, das wohl möglich gewesen wäre, zum Glück für die Umwelt jedoch nie in Angriff genommen wurde.
Das Buch
Detailliert beschreibt Stephens jeden Abschnitt der Reise. Die Schwierigkeiten und Gefahren, denen die kleine Gruppe wiederholt ausgesetzt ist. Die Mühe beim Freilegen, der von der Dschungelvegetation überwachsenen Strukturen, um Catherwood genug Licht und Raum zu bieten, damit er seine Zeichnungen anfertigen konnte. Bedrohungen durch Banditen, Indianer oder versprengte Soldateska. Begegnungen mit Priestern, Nonnen, Generälen, Bauern und anderen Reisenden. Tagelange Wegstrecken durch Schluchten, Gebirge oder Morast wechseln sich ab. Immer wieder müssen Flüsse überquert werden. Die Ausgrabungsstätte Copan in Honduras kauft er kurzerhand für 50 Dollar, um dort ungestört arbeiten zu können.
Schliesslich entlässt sich Stephens selbst aus dem diplomatischen Dienst und schickt von Guatemala aus die lapidare Nachricht in die USA, dass er bei bestem Willen keine zentralamerikanische Regierung auffinden könne.
Ende des diplomatischen Dienstes und Weiterreise durch Mexiko
Danach setzt er seine Reise durch die mexikanischen Provinzen Chiapas und Yucatan fort, um dort Palenque , Uxmal und Chichen Itza zu besuchen und zu beschreiben.
Nach seiner Rückkehr veröffentlichte Stephens das Buch „Incidents of Travel in Central America, Chiapas and Yucatan“ – das hier, in einer auf 600 Seiten gekürzten, im Atlantis Verlag (Zürich) erschienen Fassung, unter dem Titel „Reisen in Zentralamerika und Yucatan“ vorliegt.
Die Veröffentlichung dieses Buches und der Stiche Catherwoods sorgten in den nordamerikanischen Zeitungen für erhebliches Aufsehen und machten Stephens und Catherwood weltberühmt.
Das mir vorliegende Buch enthält zahlreiche Zeichnungen in schwarz-weiss und Kartenmaterial von Catherwood und Stephens. Bei Amazon gibt es verschiedene, auch englische Ausgaben.
–> Bei Amazon suchen: Reisen in Zentralamerika und Yucatan
Aktualisierung: Es gibt seit Oktober 2014 eine Neuauflage des Buches, die im Verlag der Pioniere erschienen ist und von Michael Uszinski herausgegeben wurde. Das entsprechende Buch kann man über den Verlagslink oder bei Amazon erstehen.
Jahre später wirkte Stephens beim Bau einer transkontinentalen Eisenbahn in Panama mit, erkrankte dort an Malaria und starb schließlich 1859, im Alter von 54 Jahren in New York.
Der 1799 geborene Catherwood ging nach Kalifornien und betrieb dort ein Geschäft zur Ausrüstung der Goldsucher. Er war 55 Jahre alt, als sein Schiff auf dem Rückweg von England in die USA verunglückte und sank. Einzigartig, wie sein Leben, war sein Tod. Wie es im Vorwort des Buches heißt, war dies die erste Kollision zweier Dampfschiffe auf einem Weltmeer.
Über Stephens: http://de.wikipedia.org/wiki/John_Lloyd_Stephens
Über Catherwood: http://de.wikipedia.org/wiki/Frederick_Catherwood
Über die zentralamerikanische Föderation: http://de.wikipedia.org/wiki/Zentralamerikanische_Konf%C3%B6deration
Seite mit vielen Artikeln über Maya-Tempel weltweit: http://amazingtemples.com
...zum Schluß noch ein wenig Werbung für mein eigenes Buch:
Super spannende Geschichte! Ich denke, dass die meisten viel zu wenig über die Geschichte anderer Kulturen und Völker wissen. Als ich in Südamerika war, war das auch heutzutage ein unglaublicher Moment für mich. Die Bürgerkriege, als auch die mit der spanischen Krone sind extrem heftig gewesen und man findet leider nur noch selten einheimische Stämme wieder.